Nazi-Namen

 

 Frankfurter Rundschau:

14. August 2001/Medienseite

 

Wettlauf um Nazi-Namen

 

Eine Mainzer Firma lässt Internet-Adressen registrieren, um sie dem Zugriff Rechtsradikaler zu entziehen

Von Rudolf Stumberger

Sind Namen auch Schall und Rauch - im  Internet sorgen sie bei der Benennung von Seiten, der Domain-Registrierung, noch immer für Aufmerksamkeit. Anbieter von Dienstleistungen im World Wide Web rufen  zur individuellen Namensjagd auf, mit Slogans wie: "Sichern Sie sich Ihre eigene  Domain mit Ihrem Namen, bevor es ein anderer tut." Und auch Unternehmen sind nicht müßig, spezielle Namen an Land zu ziehen.

Ein von Kuriositäten nicht freies Kapitel  in dieser Internet-Geschichte rankt sich derzeit um die Adresse www.adolfhitler.de. Wer sie anklickt, landet auf der Seite der Erodata GmbH (www.erodata.de), einem Start-up-Unternehmen  aus Mainz. Die Firma, die sich auch als "Treuhänder gegen Unfug" bezeichnet,  beschäftigt sich normalerweise nicht mit Politik. Ihre Projekte drehen sich um  die Verschlüsselung von nicht jugendfreien Seiten und das Auffinden von  Angeboten im Internet, bei denen es vor allem um nackte Haut und weniger um  nackte Tatsachen geht.

Für Propaganda-Zwecke begehrt

 

Um Tatsachen aber soll es eben genau auf  der www.adolfhitler.de-Seite gehen. "Erodata unterstützt aktiv den Kampf gegen rechtsextreme Propaganda im Internet", heißt es da. Und: diese  Domain dürfe "wohl die begehrteste nationalsozialistische Domain im deutschen  Internet sein." Sie sei hochinteressant für Neonazis zur Verbreitung ihres Gedankenguts.

Weil Erodata dies verhindern will, wie  Geschäftsführer Tobias Huch erläutert, schlägt sie "der Regierung" vor, unter  dieser Adresse eine Informationsseite über die Verbrechen im Dritten Reich  aufzubauen, um so gegen rechte Propaganda vorzugehen. Mit dieser "Nutzungskontrolle" beschränkt sich Erodata nicht auf die Homepage www.adolfhitler.de. Die  Firma hat gleich eine ganze Reihe von Begriffen aus dem rechtsradikalen und  nationalsozialistischen Umfeld sichern lassen, wie zum Beispiel www.hitlerjugend.de oder www.josephgoebbels.de.

Allerdings kritisiert das Unternehmen, dass  es bei seiner Arbeit keinerlei finanzielle Unterstützung von Regierungsseite erhalten habe. "Warum sollten wir auch", heißt es dazu in der Pressestelle der  Landesregierung in Mainz, das Interesse der Firma läge wohl vor allem im Handel  mit derartigen Domains.

"Nein", sagt dazu Hartmut Mehringer,  Archivleiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, "das ist eine absolut  seriöse Sache." Das renommierte Institut, das sich größtenteils mit der  Geschichte des Dritten Reiches befasst, will in Zukunft die registrierten  Domains der Erodata für Informations- und Aufklärungszwecke nutzen, nachdem  diese ihnen von der Mainzer Firma angeboten wurden. So soll mit der www.josephgoebbels.de-Seite  auf die gerade im Hause bearbeitete Edition der Goebbels-Tagebücher hingewiesen  werden.

Derartige Aufklärungsseiten würden auch in  das sonstige Online-Angebot des Instituts passen, zum Beispiel den Hinweis auf die Ausstellung über das Domizil Hitlers auf dem Obersalzberg. Zwar sei es  völlig unmöglich, alle sensiblen Begriffe aus dem nationalsozialistischen historischen Umfeld zu besetzen, aber zumindest "ein paar" wolle das Institut  für Zeitgeschichte nutzen. Insgesamt habe Erodata ein gutes Dutzend derartig  sensibler Domains unter ihren Fittichen, die man im Laufe der nächsten Monate  mit Inhalten füllen wolle. "Wir setzen dabei auf sachliche Information und  wollen keine antifaschistische Politik betreiben", sagt Mehringer. Die Idee der Nutzungskontrolle halte er für sinnvoll. Und die Kosten für die Überlassung der  Domains? Hier übernehme die Mainzer Firma die Entgelte für die Nutzung der  Adressen.

Unterbinden lassen sich derartige  Web-Adressen jedoch nicht, sagt Klaus Herzig, Pressesprecher der deutschen  Domain-Registrierung Denic (www.denic.de). Die Genossenschaft - ein Zusammenschluss von deutschen Internet-Providern - versteht sich als neutraler  und rein technischer Dienstleister für die deutschen Internetnutzer. Eine  generelle Prüfungspflicht der Denic für die von ihr vergebenen Domainnamen hat  jüngst das Oberlandesgericht Dresden verneint. Dies ist bei monatlich 200 000  Neuregistrierungen - also fast alle 15 Sekunden eine Neuanmeldung - auch kaum zu leisten.

Verbot für www.siegheil.de

 

Denic wird dann tätig, wenn sie erfährt,  dass eine Domain etwa gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt. So geschehen  im August vergangenen Jahres. Damals hat sie die Internet-Adresse heil-hitler.de wieder  gelöscht. Der Antragsteller, ein Oberfeldwebel der Bundeswehr aus Mecklenburg-Vorpommern, wurde nach Bekanntwerden des Falles von seinem  Arbeitgeber vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft in Schwerin hatte  gegen den damals 28-Jährigen wegen Verstoßes gegen den Paragraphen 86a des  Strafgesetzbuches - Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - ermittelt. Gleiches Verbot gilt auch für die Domain www.siegheil.de, die von  Denic ebenfalls gesperrt wurde. Diese Verwendung nationalsozialistischer  Begriffe verstoße eben gegen den erwähnten Paragraphen.

Andere Begriffe aus dem Nazi-Umfeld lassen  sich dagegen problemlos registrieren. So scheint es bei der Internet-Adresse namens www.schutzstaffel.de, keine Probleme  gegeben zu geben - dabei steht die Abkürzung SS für Schutzstaffel. Auf der  Internet-Seite findet man im übrigen - noch? - keine rechtsradikale Propaganda.  Es erscheint der bekannte Hinweis, diese Seite befinde sich noch in  Konstruktion.

Dass die Sperrung bestimmter Domain-Namen  irgendeinen Nutzen bringt, hält Denic-Pressesprecher Klaus Herzig für  zweifelhaft: "Wer unbedingt einen derartigen Domainnamen benutzen will, geht  einfach den Weg über das Ausland." In der Tat ist die strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischer Symbole und Begriffe auf Deutschland begrenzt. In der  Schweiz beispielsweise ist die Ablehnung von Domain-Namen lediglich daran gebunden, dass sie entweder beleidigenden Charakters sind oder eine  Geschmacklosigkeit darstellen.

Und wer sein rechtsradikales Gedankengut  mit einem nationalsozialistischen Begriff als Domainnamen "schmücken" will, kann  auch auf US-amerikanische Server ausweichen. So hat ein gewisser "William Sell"  aus Schenectady im US-Bundesstaat New York sich die Internet-Adresse www.heilhitler.com reserviert. Ähnliches gilt für die Domain-Namen www.heilhitler.org und www.heilhitler.net. In  Österreich wurde die Jugendorganisation der konservativen Volkspartei ÖVP  ebenfalls im Netz fündig: Sie informierte die dortige Staatsanwaltschaft über eine Internet-Seite mit dem Namen www.waffenss.at.

Und wer sich Seiten mit dem Namen der  nationalsozialistischen Grußformel eben in Österreich (.at), in der Schweiz  (.ch) oder auch Liechtenstein (.li) zulegen will, wird von der Suchmaschine mit  der Floskel: "Gratulation. Ihre Domain ist noch frei" begrüßt.

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Dokument erstellt am 16.08.2001 um 21:25:43  Uhr

Erscheinungsdatum 14.08.2001

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